CMD Centrum, Gerd Christiansen,Caniomandibuläre Dysfunktion
 
      Praxis für Zahnheilkunde - Zahnarzt Gerd Christiansen - CMD COMPACT
   
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Iatrogene CMD

 
 
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Iatrogene craniomandibuläre Dysfunktion – eine Falldarstellung
     

Eine craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) kann auch durch den Zahnarzt verursacht werden. Wird bei prothetischen Arbeiten eine Funktionsanalyse versäumt und auf die physiologische Kondylusposition keine Rücksicht genommen, können eine traumatogene Okklusion und damit verbunden starke Schmerzen die Folgen sein. Der Autor schildert einen solchen Patientenfall und zeigt daran die Vorgehensweise zur Befundung einer CMD auf. Er führt eine kleine Modellanalyse wie auch eine optoelektronische Befunderhebung durch.

 

ZA Gerd Christiansen
Studium der Medizin und Zahnmedizin Seit 1988 in eigener Praxis in Ingolstadt Intensive Beschäftigung mit Diagnose und Therapie der CMD, vorrangig auf optoelektronischer Basis Entwicklung des Variocomp Zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zur Biomechanik des Kiefergelenks und zur optoelektronischen Befunderhebung und Therapie


4. Ausschluss parodontaler Schäden – PAStatus

Manuell-klinische Untersuchung
Da in die optoelektronische Befunderhebung wesentliche Teile des manuell-klinischen Untersuchungsgangs integriert sind, soll in diesem Zusammenhang nicht näher darauf eingegangen werden.

Instrumentelle Funktionsanalyse
Hier: kleine Modellanalyse

Prinzip der „kleinen Modellanalyse“
An genauen Modellen, die in habitueller Interkuspidation (HIK) einartikuliert sind, werden mithilfe eines skalierten Stützstifts mit Zehntelmillimeter-Einteilung die Höhen der Zahnsegmente, rechter und linker Seitenzahnbereich sowie Frontzahnbereich, ausgemessen. Dabei weisen Höhendifferenzen von 0,2 mm und mehr auf statische Okklusopathien

Fehlstellungen bzw. Fehlbelastungen zwischen Gelenkkopf und Gelenkpfanne können sich auf das Bewegungsverhalten des gesamten Organismus auswirken. Dies gilt für Fehlstellungen in vielen Gelenken des menschlichen Körpers; stellvertretend seien hier Hüftgelenk sowie nahezu sämtliche „Gelenke“ der Wirbelsäule genannt. Dabei initiieren muskuläre Kompensationsvorgänge (Hypertonus) einen für das Krankheitsgeschehen maßgeblichen Circulus vitiosus. Für das Kiefergelenk wird ein ebensolcher biodynamischer Mechanismus diskutiert, wobei durch das unbewusste Einnehmen der statischen Okklusion ein fortwährender Rejustierungsvorgang abläuft.

Somit kommt dem Registrat und damit dem Transfer einer physiologischen Kondylenstellung bei prothetischen Arbeiten eine eminente Bedeutung zu.

Anamnestische Angaben der Patientin

Die Patientin suchte unsere Praxis auf, da sie in großer Sorge war, dass sie nach dem rasch aufeinanderfolgenden Verlust von fünf Molaren nun noch weitere Zähne verlieren würde. Dabei war die Patientin gerade 39 Jahre alt und von Beruf Zahntechnikerin! Sie berichtete, dass sie bis 1997 vor Beginn einer Inlaysanierung im linken Seitenzahnbereich völlig beschwerdefrei war.

Vom Zeitpunkt der Inlaysanierung an begann sie massiv zu knirschen und bekam eine Knirscherschiene. Im Jahr 1998 wurde eine Krone an Zahn 36 eingegliedert, die aber keine Linderung der Beschwerden bewirkte.

In der Folge wurden Wurzelbehandlungen an den Zähnen 16 und 15 durchgeführt, weitere Wurzelbehandlungen an den Zähnen 46 und 47, welche jedoch nicht zur Reduktion ihrer Schmerzen geführt hatten, sodass der Behandler sich zur Extraktion dieser Zähne genötigt sah. Derselbe Vorgang wiederholte sich an den Zähnen 36 und 37: Auf Wurzelbehandlungen folgte innerhalb von Wochenfrist die Extraktion.

Die Patientin gab an, immer wieder Fehlkontakte zu empfinden, in diesem Zeitraum keinen „eindeutigen Biss“ zu haben. Mittlerweile wurden vier Implantate gesetzt und mit Kronen versehen. Aktuell beginnt der Zahn 35 zu schmerzen.

In all der Zeit wurden mehrfach „Knirscherschienen“ angefertigt, wie man sieht, ohne Erfolg.

Arbeitshypothese

Anhand des geschilderten multiplen Schmerzerlebens besteht eine wesentliche Arbeitshypothese darin, dass es sich in diesem Fall um ein traumatogenes okklusales Geschehen, eine Diskrepanz zwischen bestehender statischer Okklusion und physiologischer Kondylenstellung handelt, eine häufige Ursache für Bruxismus.

Untersuchungsgang – traumatogene Okklusion

Die Untersuchung auf traumatogene Okklusion beinhaltete folgende Untersuchungsmodi:
1. manuell-klinische Untersuchung
2. instrumentelle Funktionsanalyse, hier: kleine Modellanalyse
3. optoelektronische Untersuchung von
Bewegungsablauf und funktionellem
Gelenkraum

     
   
 
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hin, während eine Höhendifferenz von 0,1 mm in der Regel durch alveoläre Beweglichkeit kompensiert werden kann.

Durchführung und Ergebnis der kleinen Modellanalyse
Die Modelle der Patientin wurden mittels Gesichtsbogen und Registrat in HIK lege artis einartikuliert. Da das Oberkiefermodell in drei Teile segmentiert ist, konnte die Höhe der einzelnen Segmente ausgemessen werden. Hierzu wurde der skalierte Stützstift eines SAM-Artikulators benutzt (Abb. 1). Der erste, subjektiv von der Patientin geäußerte Kontakt liegt im Frontzahnbereich und imponiert auch im Modell als erster Shimstock-Kontakt (Abb. 2). Der linke Seitenzahnbereich weist gegenüber dem Frontzahnbereich eine geringe Höhendifferenz von 0,05 mm auf (Abb. 3). Der rechte Seitenzahnbereich jedoch ist um 0,25 mm niedriger als der linke, ein Hinweis zumindest in dieser Situation (Abb. 4 u. 5) auf einen verdeckten Stützzonenverlust, der durch die Modellanalyse dargestellt werden konnte. Die Kontaktpunkte auf den Schlifffacetten (Abb. 6) zeigen, dass es sich bei der Relationsbestimmung tatsächlich

um die Relation in HIK handelt. Zugleich gab die Patientin an, an den Zähnen 16 und 15 Okklusalkontakt zu haben, d. h., sie benutzt diese Zähne trotz Infraokklusion. Werden Zähne benutzt, die nach dem Ergebnis der Modellanalyse in Infraokklusion stehen, liegt der Verdacht nahe, dass dabei das ipsilaterale Kiefergelenk komprimiert wird. Dies soll im nächsten Modus untersucht werden.

Optoelektronische Befunderhebung (Achsiographie) unter Einbeziehung manuell-klinischer Untersuchungstechniken

Der vom Autor vor Jahren entwickelte „Standard der optoelektronischen Befunderhebung“ liefert eine Vielzahl von Informationen, die mit der manuell-klinischen Funktionsanalyse allein nicht erhoben werden können. An dieser Stelle sollen nur einige der Untersuchungsergebnisse, die für den vorliegenden Fall relevant sind, herausgegriffen und in einen ätiopathogenetischen Zusammenhang gestellt werden.

1. Die Aufzeichnung der Öffnungsbewegung liefert auf den ersten Blick keinen Hinweis auf einen dysfunktionalen Bewegungsablauf einer der beiden Kondylen (Abb. 7–9).
2. Während der protrusiven Bewegung zeigt sich jedoch ein anderes Bewegungsmuster. Die Bahn des rechten Kondylus ist stark limitiert, der Bewegungsablauf wird reproduzierbar an gleicher Stelle gestoppt (sag. 2,9 mm). Der Spurverlauf ist gerade. Dieses Phänomen deutet auf eine Diskusverlagerung ohne Reposition des rechten Kiefergelenks hin (Abb. 10–12).
3. Weitere Untersuchungen dienen dazu, diesen Verdacht zu bestätigen. Die HIK kann von unserer Patientin reproduzierbar sehr präzise eingenommen werden (Abb. 13–15).
4. Die Bewegungskapazität des rechten Gelenks nach kranial ist jedoch mehrfach gemessen deutlich eingeschränkt. Dabei äußert die Patientin jedoch keinen Schmerz (Abb. 16–18).
5. Die Bewegungskapazität des rechten Kondylus, der offensichtlich nach kranial verlagert ist, zeigt auch nach medial eine Einschränkung (Abb. 19–21).
6. Die Diskrepanz der Kondylenlage zwischen Schließen in HIK und Schließen
     
     
   
 
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unter maximaler Anspannung der Schließmuskulatur beläuft sich in vertikaler Richtung auf ca. 0,2 mm. Dies entspricht in etwa dem Wert, den wir bereits in der kleinen Modellanalyse gefunden haben. Dabei verändert sich der vertikale Wert der linken Seite nicht (Abb. 22–23).

Ergebnis der Untersuchungen auf
traumatogene Okklusion

Sowohl die kleine Modellanalyse wie auch die optoelektronische Befunderhebung lassen auf einen Stützzonenverlust der rechten Seitenzahnreihe mit konsekutiver Diskusverlagerung nach anterior schließen. Das Schmerzgeschehen, welches

letztendlich zur Extraktion der Molaren des rechten Seitenzahnbereichs führte, lässt beide Schlüsse offen:

  • Schmerz im Gelenkbereich – fehlinterpretiert als Zahnschmerzen
  • massive Zahnkontakte aufgrund der fehlenden Dämpfung eines interponierten Diskus
     
     
   
 
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Auch die Kombination beider biodynamischer Geschehnisse ist denkbar. Beiden Schmerzen liegt eine traumatogene Okklusion zugrunde.
Therapeutisch werden wir mithilfe einer Schienentherapie und mittels laborgefertigter Provisorien den Kondylus repositionieren (Variocomp-Verfahren). Präventiv hätte sicher eine Funktionsanalyse respektive präzise Wahrung einer physiologischen Kondylusposition der Patientin diese Schmerzodyssee erspart.

Fazit
Wenn wir das kontinuierliche Fortschreiten von Schmerzen, wie dies aus der Schilderung der Patientin hervorgeht, betrachten, müssen wir immer an eine mögliche Beteiligung des Kiefergelenks, an eine craniomandibuläre Dysfunktion denken.
In der Kürze dieses Fallberichts wurden zwei diagnostische Wege aufgezeigt, die vorliegende CMD zu realisieren: die kleine Modellanalyse sowie die optoelektronische Befunderhebung. Sicher führt eine gekonnt durchgeführte manuell-klinische Funktionsanalyse zu ähnlichen Ergebnissen.

Im vorliegenden Fall wurde aber nach Angaben der Patientin versäumt, auch nur einen der drei Untersuchungsmodi
anzuwenden.


Korrespondenzadresse:
ZA Gerd Christiansen
Schwerpunkt Funktionstherapie
Institute for craniomandibular
biodynamics
85049 Ingolstadt
Tel.: 0841 34082
E-Mail: info@gerd-christiansen.de
www.gerd-christiansen.de
Ludwigstraße 27

     
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